Rissprotokoll
Vor der Aufnahme der Bautätigkeit wird der aktuelle Zustand der umliegenden Gebäude in einem Rissprotokoll erfasst und dokumentiert.
Was ist ein Rissprotokoll?
Das Rissprotokoll ist ein Beweismittel für Risse und eventuell andere Schäden, die während Bautätigkeiten an umliegenden Gebäuden entstehen. Entsteht ein Schaden während der Bautätigkeit, bildet das Rissprotokoll für die Beurteilung des entstandenen Schadens die Beweisgrundlage für alle beteiligten Parteien.
Zweck
Damit Schäden an benachbarten Gebäuden nachgewiesen werden können wird vor Baubeginn ein Rissprotokoll erstellt, in dem alle Risse und Schäden an die umliegenden Gebäude dokumentiert und beschrieben sind. Das Rissprotokoll muss durch alle beteiligten Parteien unterschrieben werden und bildet die Beweisgrundlage bei auftretenden Schäden. Falls sich durch Bauarbeiten die bestehenden Risse und Schäden an Nachbargebäuden erweitern oder weitere Risse entstehen, kann im Rissprotokoll der Zustand der Gebäude bezüglich Risse vor Beginn der Bauarbeiten eingesehen werden.
Vorgehen bei der Rissaufnahme
Vor Baubeginn werden an alle umliegenden Gebäude im Rahmen einer vorsorglichen Beweisaufnahme auf bestehende Risse und Schäden hin untersucht. Für ein vollständiges Rissprotokoll müssen alle Risse auf allen Fassadenflächen und alle Risse auf allen Innenflächen erfasst werden.
Vor Ort wird jeweils die Risslage und die Rissform, die Risslänge und die Rissbreite sowie die Beschaffenheit der Risse erfasst und fotografisch dokumentiert. In den Innenräumen ist es sinnvoll, auch die Funktionalität von Fenster und Türen zu prüfen und gegebenenfalls zu erfassen.
Die Aussenfassaden werden je nach Zugänglichkeit nur vom Boden aus untersucht. Je nach Sicht können dabei die genauen Rissbreiten und Risslängen nicht exakt erfasst werden. Komplett mit Rissen durchsetzte Teilflächen können als ganze Flächen erfasst und beschrieben werden. Schäden an Strassen und Trottoirs werden vermessen, beschrieben und vollständig fotografisch dokumentiert. Sinnvollerweise werden bei Strassenuntersuchungen auch die Schachtdeckel abgehoben und die Innenflächen der Schächte auf Risse und Schäden hin überprüft. Je nach Anforderung werden Risssiegel, Rissmonitore oder elektronische Bewegungsmesser montiert, um Rissbewegungen sofort und eindeutig nachweisen zu können.
Das Rissprotokoll muss, damit es als Beweismittel Gültigkeit hat, vollständig sein und durch alle beteiligten Parteien unterschrieben werden.
Rissmonitore und Risssiegel
Mit Rissmonitoren oder Risssiegel kann das Verhalten von Rissen an Bauwerken überwacht werden. Während Risssiegel auch bei temperaturbedingten Rissveränderungen (thermische Ausdehnung von Baustoffen) brechen können, kann mit einem Rissmonitor das Verhalten des Risses (Bewegungen über alle Achsen) über einen langen Zeitraum beobachtet werden.
Baurechtliche Grundlagen
Die Schweizer Norm SN 640 312 a bildet die Grundlage für die Risserfassung vor Ort und die Erstellung von Rissprotokollen (Baurecht).
Ohne Rissprotokoll liegt die Beweislast, dass ein Schaden durch die nahe Bautätigkeit aufgetreten, ist beim geschädigten Bauherrn. In der Regel ist es ohne Rissprotokoll sehr schwer nachweisbar, dass Risse aufgrund der Bautätigkeit entstanden sind. Auch mit einer genauen bautechnischen Untersuchung ist es nicht immer möglich, die Schadensursache eindeutig zu bestimmen.
Die Norm SIA 118 (1977÷1991) hält unter dem Absatz 4.34 «Schutz benachbarter Sachen» fest:
Art. 110 «Der Unternehmer sorgt dafür, dass benachbarte Bauwerke, Anlagen, Leitungen, Grundwasservorkommen und Quellen durch seine Arbeiten nicht beeinträchtigt werden, und gibt hierfür die erforderlichen Weisungen. Er darf sich dabei auf die in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Angaben verlassen, hat aber mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen. Im übrigen gilt Art. 25. Festgestellte Schäden (wie z. B. Undichtigkeiten, Korrosionen) meldet er der Bauleitung ohne Verzug.»
Art. 1111. «Soweit es angezeigt ist, hält der Bauherr auf seine Kosten den Bestand und Zustand fremder Sachen (wie z. B. Grundstücke, Bauten, Verkehrswege, Leitungen, Grundwasser-Vorkommen, Quellen), die im möglichen Einflussbereich der Arbeiten liegen, noch vor deren Beginn zur Beweissicherung fest. Er beschafft sich die erforderlichen Beweismittel.»
2. «Während der Bauzeit beobachtet die Bauleitung Einflüsse und Veränderungen wie Erschütterungen, Lage- und Zustandsänderungen, Veränderungen der Grundwasser- und Quellverhältnisse und hält sie durch Messungen fest. Die Messpunkte sowie die Art und den Zeitpunkt der Messungen legt sie im Einvernehmen mit dem Unternehmer fest; sie lädt ihn zu den Zustandsaufnahmen rechtzeitig ein.»
3. «Die Ergebnisse der ersten Aufnahmen, der laufenden Beobachtungen und der periodischen Messungen hält die Bauleitung dem Unternehmer jederzeit zur Verfügung; sie ermöglicht ihm die Kopienahme.»
Das Zivilgesetzbuch (ZGB) beschreibt die Verantwortlichkeiten des Bauherrn, der in der Regel auch der Grundeigentümer ist, und hält in Art. 679 fest:«Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.»
Normen, Standards und Richtlinien
- Norm SN 640 312 a:1992, Erschütterungseinwirkung auf Bauwerke
- Norm SIA 118:2013, Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten – www.sia.ch (externer Link zum SIA-Shop)